Formalisierung des Rechts

Was ist Formalisierung des Rechts?

Die Formalisierung des Rechts bezeichnet das Überführen positiv normierter Regelungen in ein technisches Äquivalent. Rechtsnormen werden unmittelbar in eine formale Sprache übertragen und können hiernach maschinenbasiert verarbeitet und angewendet werden. "Unmittelbar" bedeutet in diesem Zusammenhang, dass die technische Formalisierung direkt auf Grundlage der Norm erfolgt und keine konkretisierenden, vereinfachenden oder interpretatorischen Ziel ist die Ableitung von rechtlichen Konsequenzen in einem automatisierten Subsumtionsverfahren auf Basis formalisierter Sachverhalte. Diese Ergebnisse können als Grundlage für die rechtskonforme Gestaltung von Software in der Entwurfs- und Designphase, als auch zur Überwachung der Rechtskonformität während der Laufzeit einer Software genutzt werden.




Warum ist Formalisierung des Rechts ein Thema?

Die wissenschaftliche Beschäftigung mit Fragen der Formalisierung des Rechts stellt eine Neuorientierung hinsichtlich der klassischen Instrumente gesellschaftlicher Verhaltenssteuerung dar. Durch die zunehmende Verbreitung von Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) hat sich neben historisch gewachsenen Regelungsmechanismen gesellschaftlicher Verhaltenssteuerung, wie dispositivem oder gesetzlichem Recht und sozialen Normen, in vielen Bereichen gesellschaftlichen Zusammenlebens, ein neuer Typus der Verhaltenssteuerung herausgebildet. Dadurch, dass Software in immer mehr Lebensbereiche vordringt, erlangt die Technik durch ihren Funktionsumfang und ihre Beschränkungen zunehmend Einfluss auf menschliche Interaktionen. Sie bestimmt in diesen Bereichen weitgehend, was möglich bzw. nicht möglich ist. Im Gegensatz zu den Einsatzbeschränkungen und Verhaltensvorgaben die den Gebrauch auch jedes anderen technische Hilfsmittels begleiten, ist die Ausgestaltung der durch Software festgelegten Verhaltensweisen in viel größerem Maße von der Intention der Entwickler oder derer Auftraggeber getrieben. Software kann demnach als programmierter Regelungsmechanismus bzw. programmierte Institution aufgefasst werden (vgl. Software als Institution). Diese de facto Regelungen weichen in vielen Fällen von der demokratisch legitimierten Rechtsordnung ab. Prominente Beispiele sind die betriebssystemimmanente Festlegung auf Anwendungssoftware des eigenen Herstellers oder die feste Einbindung entfernter Dienste, welche einem Dritten Zugriff auf potentiell personenbezogene Informationen des Nutzers erlauben.
Bisherige Bestrebungen, dem allgemein anzuwendenden Recht in diesem technischen Kontext zur Durchsetzung zu verhelfen, sind weithin gescheitert. Eine Ursache kann sicherlich in der Unschärfe des Gesetzes und dem mangelnden Verständnis der Adressaten, also der Softwareentwickler und -produzenten gesehen werden. Es ist jedoch zu beobachten, dass Normapelle der in legitimatorischen Hinsicht historisch gewachsenen "klassischen" Institutionen selbst dann weitestgehend ignoriert werden, wenn sehr konkrete Vorgaben hinsichtlich der Softwaregestaltung gemacht werden . Selbstregulative Ansätze mögen im Zusammenhang mit der Regulierung von neuen und komplexen IT-Märkten und insbesondere mit Blick auf die Prognoserisiken als probates Mittel angesehen werden. Als Reaktion auf die mangelnde Befolgung bis dato geltenden Rechts kommen sie jedoch einer Kapitulation gleich und konstatieren ein Legitimationsdefizit klassischer Instrumente der Verhaltenssteuerung .
Das Problem lässt sich kurz zusammengefasst wie folgt darstellen: Die historisch gewachsenen klassischen Institute der gesellschaftlichen Verhaltenssteuerung sind demokratisch legitimiert, versagen jedoch in der Durchsetzung. Die de-facto-Normierung durch Softwaregestaltung ist sehr wirksam in der Durchsetzung, entbehrt jedoch jeder demokratisch legitimierten Grundlage.
Die Formalisierung rechtlicher Regeln und Umsetzung durch Software verbindet damit die Vorzüge beider Institute und vermeidet deren Schwächen. Damit werden die Erkenntnisse um die Fehler in der Wirkvermittlung klassischer Institute zum Anlass genommen, mögliche Chancen der Stärkung der klassischen Institute durch Softwaregestaltung aufzugreifen.

Projekte mit Bezug zum Forschungsschwerpunkt
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Dr. iur. Oliver Raabe
Dipl.-Inform.Wirt Richard Wacker
Dipl.-Inform.Wirt Christian Baumann
Dr. iur. Christian Funk


 

Veröffentlichungen mit Bezug zum Forschungsschwerpunkt
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In: The 12th International Conference on Information Integration and Web-based Applications & Services (iiWAS2010), pp. 712-719. Österreichische Computer Gesellschaft (OCG), Wien Österreich (2010).

In: Informatik 2010: Service Science - Neue Perspektiven für die Informatik, vol. 1, pp. 503-508. GI-Edition-Lecture Notes in Informatics (LNI), Bonn Germany (2010).

In: GI-Edition-Lecture Notes in Informatics (LNI). Berlin Germany (2010) (forthcoming).

W3C Workshop on Privacy for Advanced Web APIs 12/13 July 2010, London

In: Proceedings of the 6th International Conference on Web Information Systems and Technologies, Volume 2 (WEBIST2010). Valencia, Spain, Apr 2010, pp. 367 - 371.

In: Proceedings of Internationales Rechtsinformatik Symposium (IRIS2010). Salzburg Austria (2010).

In: Proceedings of the 7th International Semantic Web Conference (ISWC2008), pp. 895 - 900. Springer, Heidelberg (2008).

Conceptual Modelling in Information Systems Engineering. Springer 2007, 177-194